Integrierte Gesamtschule Friedrichsort Kiel, den 11.11.97
Klasse 11b
Klassenlehrer B.Blume
Steenbarg 10
24159 Kiel
An den
Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland
Herrn Dr. Helmut Kohl
Betr.: Windenergie
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
in der Presse haben wir gelesen, dass der Bundesverband Landschaftschutz,
der 120 Bürgerinitiativen als Mitglieder zählt, mit heftiger
Polemik - Äußerung des stellvertretenden Vorsitzenden Herrn
Maß: "die Nutzung der Windkraft ist ein Attentat auf die Landschaft
und gegen das Wohl des Volkes" - gegen die Nutzung der Windenergie mobil
macht. Es hat uns verunsichert, welche Meinungen zur Windenergie bestehen,
welcher Druck auf die Bundesregierung besteht, die Stromeinspeisung zu
einem festgesetzten Preis von 17,15 Pfennig pro Kilowattstunde mengenmäßig
zu begrenzen und, politische Überlegungen zeigen dies, wie groß
die Gefahr ist, dass dem entsprochen wird.
Bisher wurde uns, einer Klasse, die in einem von der Europäischen
Union geförderten Projekt zur Umwelterziehung (Baltic Environomental
Education Network) engagiert ist, durch eigene Erkundungen immer deutlicher,
dass die Windenergie eine ernst zu nehmende, ressourcenschonende Energiequelle
ist, zumal sie den Ausstoß von Treibhausgasen verringern und
somit das Klima stabilisieren hilft. Erfreut hat uns besonders, dass die
Schleswag, das größte Energieversorgungsunternehmen Schleswig-Holsteins,
bereits heute 10% ihres Stroms aus Windenergieanlagen bezieht. Regenerative
Energien sind somit keine Randerscheinung mehr, sondern ein fester Bestandteil
unserer Energieversorgung. Endlich ein Ansatz zu einer Energieversorgung,
bei der auch an uns junge Menschen, an unsere Zukunft gedacht wird. Wir
finden es überhaupt nicht in Ordnung, dass die fossilen Brennstoffe
einfach verheizt werden, statt sie ausschließlich zur Herstellung
von Medikamenten oder Gebrauchsgegenständen zu nutzen und so weniger
schnell zu verbrauchen. Wir erinnern z.B. daran, dass die Erdölvorräte
Deutschlands nahezu erschöpft sind. Wir empfinden die oben genannte
Äußerung von Herrn Maß als äußerst zynisch.
Da wird von Bürgerinitiativen der Windenergienutzer als Ökokapitalist
beschimpft, der profitorientiert mit der ökonomischen Mogelpackung
Windenergie der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger und natürlich
den Zugvögeln schadet. Folgt man dieser Logik, so müsste das
dänische Jütland frei von Zugvögeln, wirtschaftlich am Boden
mit einer gesundheitlich schwer angeschlagenen Bevölkerung sein. Sollte
man dann nicht auch die Fische in den deutschen Gewässern vor den
Schrauben durchfahrender Schiffe schützen? Bedauerlich, dass aufgrund
einer solchen Argumentation der Bau von Windenergieanlagen, z.B. in Kiel,
verhindert wurde, Politiker und gewählte Volksvertreter also nachgeben
anstatt den Bau von Windenergieanlagen auch rechtlich besser abzusichern.
Und nun noch unsere Meinung zu den hohen Kosten der Windenergie.
Ist es nicht so, dass die Förderung der Steinkohle jährlich mit
etlichen Milliarden subventioniert wurde und wird (9,3 Milliarden DM im
kommenden Jahr)? Ist es nicht so, dass die Kernenergie den Steuerzahler
etliche Milliarden jährlich gekostet hat, kostet (auch in Form ständiger
Polizeieinsätze) und, gehen wir einmal von einer über hunderte
von Jahren reichenden Stabilität unseres politischen Systems aus,
auch , bedingt durch die notwendige Sicherung der Endlager, kosten wird.
Da sind plötzlich zusätzliche Einspeisungsaufwendungen der Preussen-Elektra,
wenn sie denn stimmen, von 300 000 000 DM zu teuer, wobei das Geld natürlich
nicht der Konzern zahlt sondern der Verbraucher.
Wir sind der Meinung, dass die Nutzung der Windenergie auch bei
einer Aufhebung der Energieversorgungsmonopole in den kommenden Jahren
durch eine Verteilung der Kostenlast auf alle in Deutschland engagierten
Energiekonzerne ohne Begrenzung gefördert werden muss, weil sie eben
zusammen mit der Nutzung der Sonnenenergie konkurrenzlos umweltfreundlich
ist.
Wir bitten Sie, Herr Bundeskanzler, dass Sie sich für eine immer stärker werdende Nutzung regenerativer Energien im Interesse der kommenden Generationen einsetzen. Wir wenden uns dabei an Sie, da wir wissen, dass Regelungen im Energiebereich auch hinsichtlich des Europäischen Wettbewerbs sehr komplex sind. Sehr dankbar wären wir für eine Antwort aus Ihrem Amt.
Herzliche Grüße